Liebe Hamburgerinnen und Hamburger,
Vor etwas über einer Woche habt Ihr ein Stimmzettel erhalten, der Euch dazu aufruft über eine Austragung der olympischen Spiele in der Hansestadt abzustimmen.
Es geht in dieser Wahl aber um mehr: um das Demokratieverständnis des Hamburger Senats.
Wenn wir der Pro-Seite der Wahl glauben schenken möchten, ist das Olympia-Narrativ denkbar simpel: ‚Hamburg kann nur gewinnen‘ ist der Slogan; auf den Plakaten wird mit ganz normalen Arbeitern, Rentnern sowie mit Menschen mit körperlichen Einschränkungen geworben: Olympia als Volksfest. Endlich eine Chance für unsere angeblich ’schönste Stadt der Welt‘ weltweit den Ruhm einzuheimsen, den sie verdient.
Leider stellen sich hier einige Probleme in den Weg, allen voran die Kosten:
Nach ersten, konservativen Einschätzungen wird die Ausrichtung eine Summe von 11,2 Mrd Euro in Anspruch nehmen. Wie zuverlässig diese Zahl ist, lässt sich in Bezugnahme der ersten Kalkulationen der Elbphilharmonie, des Flughafens BER oder der Sommerspiele in London erahnen.
Das Gegenargument hierfür ist schnell gezückt: schließlich sind die Kosten von Olympia laut seinen Befürwortern letztendlich ein Konjunkturpaket: man investiere quasi in die Wirtschaft.
Es gibt nur ein Problem: das ist gelogen.
Zunächst weisen vermehrt Studien daraufhin, dass die wirtschaftlichen Nutzen von olympischen Spielen meist weit hinter den Erwartungen zurückbleiben, manchmal ist es sogar schwer, einen direkten Zusammenhang herzustellen. Desweiteren müssen wir uns vor Augen führen, dass es sich hier um eine Investition von über elf Milliarden Euro handelt. Sehen wir die Spiele als eben jene Konjunkturspritze als die sie verkauft wird, stellen sich zwei Kritikpunkte: 1. kann das Geld nicht intelligenter angelegt werden? Und 2. müssen wir nach der erzwungenen Rettung der HSH Nordbank jetzt erneut Steuergelder in den Wirtschafts-/Finanzsektor pumpen? Was wäre alles möglich mit einer Investition von 11 Mrd (in Zahlen: 11.200.000.000€) in Bereichen wie Bildung, Kultur, Flüchtlingshilfe?
Wir können uns nicht in einem Fort darüber beschweren, dass wir an unsere Grenzen gelangen und dann für ein Prestigeprojekt derart verschwenderisch agieren. Das ist so, als würden wir mitleidig unserem hungernden Nachbarn 50 Cent für ein Käsebrötchen verwehren, uns umdrehen und die neue Super Soaker mit Turbonachlader kaufen.
Denn genau das ist Olympia: ein unnützes, überteuertes Spielzeug, mit dem man vor seinen Freunden angeben kann. Und hier beginnt das eigentliche Problem.
Verkauft wird hier nämlich vielmehr ein Gefühl, ein einmaliges Erlebnis, dessen zu verwehren nicht nur miesepetrig sondern schlichtweg unpatriotisch scheint. Und so funktioniert das Demokratieverständnis des Hamburger Senats 2015. Denn anstatt eine neutrale, informierende Rolle einzunehmen, werden präventiv Millionen für Werbekampagnen der Pro-Seite ausgegeben. Es wird in Bussen, Bahnen und sogar an Feuerwehrautos geworben (wobei die Ironie des Slogans ‚Feuer und Flamme für Hamburg‘ an einem Löschfahrzeug zum Himmel schreit.) Die Abstimmung bekommt den faden Beigeschmack, dass die Politik ihre Entscheidung längst getroffen hat, sich nur nochmal das notwendige Kopfnicken von den Bürgern abholt. Es wird eine Stimmung des ‚Sei mit oder sei gegen uns‘ fabriziert, die mit einem demokratischen Diskurs nichts zu tun hat, bewusst Kostenfaktoren unterschlägt, um die Gegenseite zu untergraben und den wahren Charakter von Olympia als reines Prestigeprojekt verschleiert. Nun kann man es dem Scholz-Senat, der sich bisher hauptsächlich durch Kürzungen im Sozialetat sowie dem einrichten verfassungswidriger Gefahrengebiete einen Namen gemacht hat, nicht verübeln, dass er seinen Namen mit einem Sportfest aufpolieren will. Aber diesen Egopush als Volksanliegen zu verkaufen, grenzt an Hohn.
Die Gegenöffentlichkeit ist bisher denkbar gering. Lediglich überregionale Zeitungen und Magazine sowie linke Gruppierungen und Blogs weisen auf die Unsinnigkeit der Pläne (ein 70.000 Zuschauer fassendes Olympiastadion, das danach auf 20.000 zurückgebaut wird?) und die Probleme in den Kostenvoranschlägen hin. Die lokalen Blätter MOPO, Bild HH und Abendblatt fahren täglich Aktionen, die sich für eine Bewerbung aussprechen. Und vielleicht vermag ein Post auf einem Blog, dessen Rekordtag bei 64 Besuchern liegt, nicht viel zu ändern. Aber vielleicht liest auch nur ein einziger Unentschlossener Hamburger mit und erhebt seine Stimme mit mir. Und vielleicht kann man mit einem kleinen Streichholz auch ein Lauffeuer legen.
Liebe Grüße
Marco von Damghan